Mit der Werkstatterweiterung setzt Orthopädie-Schuhtechnik Pichler auf Kundenfreundlichkeit
Interview von Sandra Schörghuber (erschien am 14.01.2025 in der Landshuter Zeitung)
In dem Gebäude mit der Adresse Hauptstraße 8 in Weng stecken 100 Jahre Firmengeschichte – so lange befindet sich dort bereits der Standort von Orthopädie-Schuhtechnik Pichler. Mit dem Anbau beginnt nun ein neues Kapitel. Das Unternehmen wurde 1924 von Paul Pichler senior gegründet, der auch das Grundstück in Weng kaufte. Einige Jahre später baute er darauf die Werkstatt – ein kleines Holzhäuschen, das fortan von den folgenden Generationen Stück für Stück erweitert wurde. „Garage für Garage – jetzt haben wir einmal richtig gebaut“, sagt Raphael Pichler, der das Geschäft in siebter Generation führt. „Richtig gebaut“ bedeutet, die Werkstatt wurde auf der Nordseite um einen Anbau in Holzständerbauweise erweitert.
Von der Halskrause bis zum Kompressionsstrumpf
Der neue Anbau erstreckt sich über zwei Stockwerke und bietet fünf Räume auf einer Fläche von insgesamt 75 Quadratmetern: ein Empfangsbereich, ein barrierefreies WC, ein Lager sowie zwei zusätzliche Maßräume.
Einer dieser Räume ist mit einem Maßpodest mit integriertem 2D-Fußscanner ausgestattet, mit dem die Fußsohle detailliert vermessen und die Belastung des Fußes dargestellt werden können. Doch nicht nur die Maße für orthopädische Einlagen werden in den Räumen genommen, denn Pichler bietet auch weitere orthopädische Hilfsmittel
an, beispielsweise zur Kompression oder zum Bandagieren. „Von der Halskrause bis zum Kompressionsstrumpf“, so Pichler. Durch die zusätzlichen Lagerkapazitäten sind die Produkte nun auch schneller verfügbar, da lange Lieferzeiten wegfallen.
Viele Kunden von Raphael Pichler sind nicht gut zu Fuß unterwegs, weshalb bei der Erweiterung ein spezieller Fokus auf die Barrierefreiheit gelegt wurde. Früher stand man nach Betreten des Gebäudes direkt in der Werkstatt, nun tritt man in einen freundlichen und hellen Empfangsbereich mit Sitzgelegenheiten, von dem man schwellenlos
Zugang zu den weiteren Bereichen hat. Die Werkstatt ist dennoch hinter einer Glastür gut sichtbar, denn Pichler ist es wichtig, zu zeigen, wie viel Handwerk in den einzelnen Produkten, wie zum Beispiel in den maßgefertigten Schuhen, steckt. Obwohl sie im Zuge des Umbaus nicht erweitert wurde, steht in der Werkstatt dank des separaten Empfangsbereichs nun mehr Platz zum Arbeiten zur Verfügung. „Wir haben die Hilfsmittelversorgung für den östlichen Landkreis Landshut und den westlichen Landkreis Dingolfing so auf lange Zeit weiter ausgebaut und sichergestellt“, sagt Raphael Pichler. Das sei eine Motivation hinter der Erweiterung des Standorts gewesen.
Außerdem wurde das gesamte Gebäude im Rahmen der Bauarbeiten energetisch saniert. Es wurden eine Lüftungs- und Klimaanlage sowie eine Fußbodenheizung verbaut. Der Strom dafür wird von einer Photovoltaikanlage auf dem neuen Dach erzeugt und fließt in einen Stromspeicher. „Wir sind quasi autark“, sagt Pichler. So entsteht beispielsweise dank Wärmerückgewinnung kaum ein Energieverlust, wenn die dezentrale Lüftungsanlage zweimal täglich das komplette Luftvolumen der Werkstatt umwälzt. Und Geruchsbelästigungen, sei es durch Klebstoff oder Käsefüße, werden vermieden.
Ende Mai 2024 begannen die Bauarbeiten, die am 18. Dezember abgeschlossen werden konnten. Alle Gewerke wurden von Raphael Pichler bewusst an Firmen im Umkreis von zehn bis 15 Kilometern vergeben. So waren die Anfahrtswege kürzer und er wollte auch die Wirtschaftskraft in der Region fördern.
Barrierefreiheit und Denkmalschutz
Die Kommunikation verlief problemlos, sodass einige Herausforderungen gemeistert werden konnten. Seien es Materialengpässe, die die Fertigstellung um einen Monat verzögerten, oder der Bau im Bestand während des laufenden Betriebs. „Das sind Komponenten, die sich nicht so leicht vereinen lassen, aber es hat trotzdem funktioniert“, erzählt Pichler. So mussten die vorbeiführende Hauptstraße, die das Gelände nach Norden hin begrenzt, sowie das Gefälle innerhalb des Hofs bei der Planung berücksichtigt werden. Um dennoch einen barrierefreien Zugang ohne Stufen zu ermöglichen, wurde die Eingangstür beispielsweise weiter nach unten versetzt. Auch durch das denkmalgeschützte Schloss, das sich auf der anderen Straßenseite und damit in Sichtweite zum Anbau befindet, ergaben sich einige Auflagen, die erfüllt werden mussten: So durfte die Fassade nur weiß gestrichen werden und die Ziegeleindeckung musste in Naturrot erfolgen.
Die größte Herausforderung war laut Pichler jedoch, während der laufenden Bauarbeiten gleichzeitig im Unternehmen zu arbeiten, zum Beispiel im Sommer ohne Fenster, aber mit Baumaschinen vor der Tür. „Jetzt haben wir alles für die nächsten 30 Jahre hergerichtet – mindestens, hoffe ich“, so Pichler. Wer sich selbst davon überzeugen möchte, hat 2025 die Gelegenheit dazu. Mitte des Jahres soll ein Tag der offenen Tür stattfinden.